Gerlach, Sailkal

Ein Moment mit…
Saikal Gerlach

„Nach dem Studium der Germanistik, Wirtschaftswissenschaften und Management Information Systems war ich als IT-Beraterin und Revisorin tätig und arbeite aktuell als Risikomanagerin in der Baubranche. Kosmopolitin, Feministin, Weltverbesserin und Working Mum. Auch das bin ich!“

(1) An meiner jetzigen beruflichen Tätigkeit begeistert mich…
…, dass ich mit meiner Arbeit dazu beitrage, den Raum für Lehre, Forschung und Justiz in NRW bereitzustellen und zu erhalten. Als Risikomanagerin des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW, dem Eigentümer, Vermieter und Bauherren für Immobilien des Landes NRW, betreue ich Bau- und Sanierungsprojekte u.a. auch die Bauprojekte der Universität Paderborn. Das freut mich besonders.

(2) Themen, für die ich seit vielen Jahren brenne, sind...
…Geschlechtergerechtigkeit, Diversität, Inklusion und Armutsbekämpfung. Bei allen Themen sind wir als Gesellschaft ein gutes Stück weiter – aber immer noch nicht da, wo wir eigentlich im 21. Jahrhundert sein sollten. Wenn mehr Frauen nachhaltig in die Entscheidungsmechanismen der Gesellschaft eingebunden werden, werden wir ethische, wirtschaftliche und politische Probleme lösen.

(3) Eine Sternstunde meines bisherigen Werdegangs war für mich…
…die berufliche Entscheidung, für zwei Jahre nach Shanghai/China zu gehen. Das war ein Schritt ins Ungewisse. Im Nachhinein waren diese beiden Jahre (2016-2018) nicht nur beruflich sehr wertvoll, sondern persönlich und privat sehr bereichernd und prägend.
In diesen zwei Jahren habe ich mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen gearbeitet und so andere Arbeits- und Sichtweisen kennengelernt: Die Arbeits- und Lebensweise in China bzw. generell in Asien unterscheidet sich beispielsweise sehr von den hiesigen Umständen und der vorherrschenden Mentalität. Sehr viel von dem, was wir in Deutschland für selbstverständlich oder "richtig" halten, ist woanders tatsächlich ein Privileg oder eine besondere Leistung.

(4) Wenn ich auf meinen bisherigen Weg zurückblicke hat mich besonders geprägt…
...meine Kindheit und Jugend im postsowjetischen Kirgisistan in den späten 1980ern und frühen 1990ern: Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 war diese Zeit geprägt von finanziellen Sorgen, hoher Arbeitslosigkeit und großer Ungewissheit. Dennoch war ich hoffnungsvoll, dass ich mir ein Studium und danach ein gutes Leben leisten kann. Paradoxerweise hat letztlich das Aufwachsen in diesen unsicheren Zeiten mich und meine Generation insgesamt sehr resilient gemacht.
Auch die Tatsache, dass ich die Älteste in der Familie bin, hat mich besonders geprägt. Als Älteste ist man z.B. gewohnt schnell Verantwortung zu übernehmen, Entscheidungen zu treffen und sich um andere zu kümmern.

(5) Wenn junge Frauen eine ähnliche Laufbahn einschlagen möchten wie ich, würde ich ihnen raten…
…auf die eigene Intuition zu vertrauen und sich bei der Wahl des ersten Jobs nicht zu viele Sorgen zu machen, dass man eine falsche Wahl trifft.
Sie erinnern sich doch an Ihr erstes Auto oder Ihre erste Wohnung. Auch für den ersten Job gilt das Gleiche: Man ist glücklich, wenn man sein erstes Auto kauft, und ein paar Jahre später braucht man aber ein anderes Auto, weil man andere Bedürfnisse hat. So ist es auch mit dem ersten Job. Die Interessen und Bedürfnisse ändern sich im Laufe des (beruflichen) Lebens. Und da die Dauer der Erwerbstätigkeit immer länger wird, gehe ich davon aus, dass die heutigen Berufsanfänger*innen häufiger ihren Beruf im Laufe ihrer Biographie wechseln werden.

(6) Das Vernetzen/Networking mit anderen Frauen aus meiner Branche ist für mich wichtig, da…
…wir nur gemeinsam etwas bewegen bzw. verändern können. Die gegenseitige Unterstützung von Frauen ist eine Ressource, die wir heute dringend benötigen, um mit vielen Herausforderungen unserer Gegenwart umzugehen. Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts brauchen die besonderen Kompetenzen, die viele Frauen meiner Erfahrung nach mitbringen – wie beispielsweise Empathie, ganzheitliches Denken, Inklusionsfähigkeit, langfristige Orientierung, usw.
Damit uns das gelingt, müssen wir Frauen all diese Herausforderungen gemeinsam anpacken. Einzelkämpfer sind nur in Hollywood-Filmen erfolgreich – im echten Leben brauchen wir Solidarität, gegenseitige Unterstützung und gemeinsame Ziele.
Mit meiner HerCentury Germany – einer gemeinnützigen Fraueninitiative, die auf ein internationales Netzwerk von und für Frauen mit Schwesternorganisationen in China und Frankreich zurückzuführen ist – möchte ich daher engagierte Frauen in der Region Ostwestfalen-Lippe zusammenbringen, den Austausch von Ideen und Erfahrungen fördern und so gemeinsame Ziele erreichen.

Ein Erfolgserlebnis, das ich auf diese gegenseitige Vernetzung und Unterstützung zurückführe, ist…
…meine Teilnahme an der "Hall of Femmes". Eine tolle, talentierte Frau aus meinem Netzwerk hat mich für dieses Format vorgeschlagen und mir so die Möglichkeit gegeben, meine Geschichte zu erzählen.
"Seien Sie dankbar, dass Sie nicht in Kirgisistan oder Afghanistan zur Welt gekommen sind", sagte mal Lars Amend in einem Podcast. Nun, wenn Sie mich heute sehen, sehen Sie eine Frau, die sich trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer kirgisischen Herkunft erfolgreich nennt. Unsere Herkunft darf nicht unsere Zukunft definieren! Und damit möchte ich alle jungen Frauen mit Migrationshintergrund ermutigen, sich ihrer Potenziale bewusst zu werden und diese zu entfalten. Ein Migrationshintergrund kann auch als Wettbewerbsvorteil angesehen werden. Auf dem Arbeitsmarkt sind Flexibilität und Anpassungsfähigkeit als Soft Skills besonders stark gefragt. Frauen mit Migrationshintergrund haben oftmals auf Grund ihrer Biographien besonders stark ausgeprägte Anpassungsfähigkeit und die damit verbundene "Hands-On" Mentalität.
Unsere Gesellschaft ist vielfältig und die gleiche Vielfalt muss auch auf dem Arbeitsmarkt sichtbar sein. Das Potential von Frauen mit Migrationshintergrund sollte daher noch stärker berücksichtigt werden.

(7) Mit meiner Zeit an der Universität Paderborn verbinde ich…
…wie die meisten Student*innen lustige WG-Parties, Freundschaften, die bis heute halten, Mensaessen, das AStA-Sommer-Festival, Donnerstagsparties und Mathevorlesungen freitags um 8:00 Uhr, das Pareto-Optimum und die unsichtbare Hand von Adam Smith 😉
Besonders dankbar blicke ich zurück auf all die Möglichkeiten, die man als Studentin hatte. All die studentischen Initiativen, bei denen man sich je nach Interessen engagieren konnte – vielfältige Sportmöglichkeiten, der Kontakt zu internationalen Kommiliton*innen und besonders wertvoll: die Möglichkeit ein Auslandssemester zu absolvieren. Mein Auslandssemester in China hat es mir schließlich ermöglicht, in meinem späteren Berufsleben in China und anderen asiatischen Ländern zu arbeiten.

(8) Für die nächsten 50 Jahre wünsche ich der Universität Paderborn…
…weiterhin Mut und Erfolge in den Bereichen Innovation, Nachhaltigkeit, Diversität, Digitalisierung und neue Lehr- und Lernkonzepte. Die Universität ist ein Ort, der die jungen Menschen auf die Herausforderungen der heutigen, komplexen Arbeitswelt vorbereitet und dafür brauchen wir innovative Konzepte. Besonders beeindruckend sind die Erfolge der Gleichstellungsstrategie sowie die starke Vernetzung der Universität Paderborn mit der regionalen, nationalen und internationalen Industrie, von der Studierende und Wissenschaftler*innen gleichermaßen profitieren.

(9) Folgendes möchte ich den Leser*innen der „Hall of Femmes“ noch mitteilen...
Investiert Zeit in Vernetzung und Erfahrungsaustausch mit anderen gleichgesinnten Frauen. Sucht Euch Unterstützung in Eurem Umfeld und offizielle sowie informelle Mentor*innen. Insbesondere der Austausch mit erfolgreichen Frauen, die einen ähnlichen Hintergrund haben wie ihr, kann helfen, eigene Ressourcen und Möglichkeiten zu erkennen oder neu zu bewerten.
Mir persönlich ist es wichtig, diese Art von Austausch und Vernetzung in unserer Region OWL voranzutreiben und gleichgesinnte Frauen insbesondere zu den Themen Diversität, Inklusion, Karrierewege von Frauen mit Migrationshintergrund und Working Mum miteinander in Kontakt zu bringen. Mit meiner Initiative gelingt mir das hoffentlich.

(Porträtfoto): Saikal Gerlach

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Prof. Dr. Kathrin Flaßkamp
Kathrin Flaßkamp ist Professorin für Modellierung und Simulation technischer Systeme an der Universität des Saarlandes. Die Universität Paderborn ist ihre Alma Mater, an der sie Technomathematik studierte und 2013 auch promovierte.
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