Die vergessenen Pioniere in der computergestützten Lehre –
Paderborn als Ausgangspunkt für moderne Lehrmethoden
Für Sie ist e-Learning kein Fremdwort mehr oder Digitalisierung besteht für Sie nicht nur aus einer Zahlenkombination aus Nullen und Einsen? Aber haben Sie sich jemals gefragt, wo alles seinen Anfang hat? Paderborn, 1971. Zu dieser Zeit wurde das Forschungs- und Entwicklungszentrum (FEoLL) für objektivierte Lehr- und Lernverfahren des Landes Nordrhein-Westfalen in Paderborn errichtet – auch im Hinblick auf die beabsichtigte Gründung einer Gesamthochschule – Dort wurden erste Schritte unternommen das Lehren und Lernen mit der Technologie zu verbinden. Zu den anfänglichen Überlegungen, Medien als Lehrmittel oder als Unterrichtselement zu verwenden, stand uns Herr Prof. Dr. Gerhard Tulodziecki als Interviewpartner bereit. „Der Ursprung für viele Entwicklungen, auch wenn sie zum Teil anders verlaufen sind, war schon in den Arbeiten, die wir im FEoLL geleistet haben“, so Tulodziecki.
Eine Studienleistung von Anna-Lena Strippentow und Michael Sagik
1. Wussten Sie das schon?
Das heute weitverbreitete e-Learning verdankt viele seiner Grundlagen den Forschungen des früheren FEoLL. Die multimediale Aufbereitung und Vermittlung von schulischen Inhalten war damals noch ein junges Forschungsgebiet. Die Schnittstelle zwischen Bildung und Technik war vielversprechend und reizvoll, sodass immer intensiv daran geforscht wurde. Hier ergaben sich wichtige Modelle für die Verwendung des Schulfernsehens im Unterricht. Die Forschungen im Institut dienten als Pionierarbeit für viele weitere Entwicklungen, sodass sich aus den Forschungsergebnissen teilweise das heutige e-Learning entwickeln ließ.
2. Wofür steht FEoLL?
Das FEoLL-Institut steht für Forschungs- und Entwicklungszentrum für objektivierte Lehr- und Lernverfahren. Damals fiel der Blick auf die Medien, und es wurde immer deutlicher, dass vor allem technische Medien eine wichtige Rolle für die Bildung und den Unterricht spielen könnten. Die drei wissenschaftlichen Bereiche (Pädagogische Technologie, Kybernetische Pädagogik, Bildungsinformatik) waren die ursprünglichen Stützen des Zentrums.
3. Was waren die Ziele?
Die bildungspolitische Absicht der Gründung war es, die Bildungstechnologie bzw. die Verwendung technologischer Möglichkeiten zur Verbesserung und zur Optimierung von Lehren und Lernen einzusetzen. Im Mittelpunkt standen computergestützte Lernprogramme bzw. -szenarien. Hieraus ergab sich die Frage, wie man Computer bzw. Computertechnologie für den Schulunterricht nutzbar machen kann. Durch die Entwicklung des Schulfernsehens, wurde in erster Linie weiter untersucht, wie andere Medien als Hilfsmittel für die Lehre genutzt werden können. Im weitesten Sinne ging es somit um die Kombination zwischen Medien sowie Lehr- und Lernprozessen.
4. Wo waren die Grenzen?
Der Vorteil des FEoLL als eigenständige GmbH war gleichzeitig mit dem Problem verbunden, dass das Zentrum abhängig vonden finanziellen Mitteln des Kultus- und Wirtschaftsministeriums war. Diese wurden jedes Jahr erneut festgelegt. In der Forschung hingegen wurde das Institut nicht eingeschränkt. Es gab übergreifende Forschungsbereiche, welche das Ministerium angedacht hatte. Was innerhalb dieser Bereiche letztlich erforscht wurde, war der Entscheidung der Forschenden überlassen. Dabei gab es – wie in der Forschung üblich – auch einzelne Entwicklungen, die sich in der Praxis nicht durchsetzen konnten. Die damals limitierte Technik und die Haushaltsgelder haben letztlich auch die Forschung bestimmt.
5. Warum Paderborn als Standort?
Das bildungspolitische Bestreben in NRW war es, diejenigen, die in Deutschland damals zentral im Bereich der Bildungstechnologie gearbeitet haben, an einem Forschungs- und Entwicklungszentrum zusammenzubringen. Die drei Säulen (Pädagogische Technologie, Kybernetische Pädagogik, Bildungsinformatik) sollten zusammengeführt werden. Die Wahl des Standortes Paderborn für ein solches Zentrum wurde vor allem von Josef Köhler, dem damaligen CDU-Landtagsabgeordneten, aber auch von Heinz Nixdorf und Prof. Dr. Helmar Frank beeinflusst. Die Zusammenarbeit mit Nixdorf war für die technologische Ausrüstung des Zentrums von großem Nutzen.
6. Wer steckte hinter FEoLL?
Am 6. Februar 1969 wurde Josef Köhler von seinem Parteifreund Georg-Wilhelm Sassenroth auf die Tätigkeit von Prof. Dr. Helmar Frank aufmerksam gemacht. Er forschte im Bereich der kybernetischen Pädagogik in Berlin. Die am 8. Februar 1969 in Hannover stattfindende Begegnung mehrerer Professoren weckte ebenfalls sein Interesse. Köhler beschloss somit zusammen mit Prof. Dr. Frank und Heinz Nixdorf nach Hannover zu fahren. Das Gespräch mit den Professoren führte zu der Einsicht, dass mit der Gründung des FEoLLs ein wichtiger Beitrag zur Überwindung der Bildungsprobleme im deutschen Sprachraum für Schulen und Wirtschaft geleistet werden könnte. Nach der Erörterung aller relevanten Fragen bei den beteiligten Professoren entstand große Neugierde für die Errichtung eines solchen Zentrums in Paderborn. Das Kultus- und Wissenschaftsministerium in Nordrhein-Westfalen entschied sich für die Errichtung eines solchen bildungspolitischen Instituts in Paderborn. In kürzester Zeit wuchs das Interesse der Professoren an dem Institut und somit auch die Anzahl der Forschenden. Neben Helmar Frank forschte unter anderem auch Professor Dr. Gerhard Tulodziecki am Institut.
7. Wer ist Gerhard Tulodziecki?
Er ist emeritierter Universitätsprofessor für Allgemeine Didaktik und Schulpädagogik mit einem Schwerpunkt im Bereich der Medienpädagogik im Fach Erziehungswissenschaft an der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Paderborn. Außerdem leistete er wertvolle Arbeit als Direktor des FEoLL-Instituts für Medienverbund und Mediendidaktik in Paderborn (bis 1980) sowie als Professor für Schulpädagogik und Allgemeine Didaktik (bis zur Emeritierung 2006). Möglicherweise haben Sie das ein oder andere Werk von ihm für Ihr Studium gelesen? Während seiner Dienstzeit hat er nämlich in verschiedenen Kommissionen und Arbeitsgruppen zu Fragen der Lehrerbildung und Medienpädagogik auf Bundes- und Landesebene mitgewirkt. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Unterrichtswissenschaft, Lehrerbildung und Medienbildung. Auch heute noch haben seine Werke inhaltliche Relevanz für das bildungswissenschaftliche Studium.
8. Welche Rolle übernahm er für das Institut?
Tulodziecki war zunächst kommissarischer Leiter des FEoLL-Instituts für Unterrichtswissenschaft, ehe er zum Professor für Medienverbund und Mediendidaktik berufen und zum Direktor des gleichnamigen Instituts am FEoLL ernannt wurde. Als Vorsitzender des Zentrumrates des FEoLL und späterer Prokurist der GmbH übernahm er bis 1980 zusammen mit dem Geschäftsführer Kurt Seelmann wichtige Funktionen im FEoLL.
9. Wer waren die Geldgeber?
Das Kultus- und Wissenschaftsministerium NRW hat das FEoLL als eigenständige GmbH gegründet und war somit vorrangig für die Finanzierung zuständig. Dadurch konnte gewährleistet werden, dass die finanziellen Mittel für das Programm zweckgebunden verwendet wurden. Das FEoLL war durch die beurlaubten Professoren zwar mit der Gesamthochschule Paderborn verbunden, blieb aber als Entwicklungs- und Forschungseinrichtung selbstständig.
10. Das wissen Sie jetzt!
In diesem Blog-Beitrag haben Sie erfahren, dass das Schulfernsehen unter anderem einer der Vorgänger des heutigen e-Learnings ist. Das Forschungs- und Entwicklungszentrum für objektivierte Lehr- und Lernverfahren wurde in Paderborn errichtet, um zum einen, die generelle Verwendung von Medien in der Lehre zu verbessern, und zum anderen, um den damaligen Lehrermangel mittels des Schulfernsehens auszugleichen. Paderborn wurde nicht nur wegen wirtschaftlicher und bildungspolitischer Vorzüge zum Standort des FEoLLs. Auch Heinz Nixdorf spielte aufgrund seiner technischen Ressourcen eine wichtige Rolle in der Standortfindung. Zwar übernahmen das Land NRW und anfänglich Heinz Nixdorf die Finanzierung des Instituts, dennoch waren die forschenden Professoren in ihrer Arbeit nicht eingeschränkt. Dieser Vorteil war gleichzeitig auch der größte Nachteil, denn das FEoLL blieb abhängig von den finanziellen Haushaltsentscheidungen des Ministeriums. Professor Tulodziecki war einer der Direktoren des FEoLLs und leistete mit seiner Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Forschung. Auch heute noch beschäftigt er sich in seinen Publikationen mit der Verwendung digitaler Medien für Lernen und Lehren sowie der Medienpädagogik im Rahmen der Lehrerbildung.
Quellenverzeichnis:
FEoLL GmbH [Hrsg.]: Struktur, Ziele, Perspektiven, Paderborn 1971.
Anna-Lena Strippentow, Michael Sagik. Interview mit Prof. Dr. Gerhard Tulodziecki. 08.12.2021, Deutschland, Paderborn. Aufnahme bei den Interviewer*innen.
Bildquelle: Universität Paderborn: Gesamthochschule Grundriss. In: Streiflicht. Gesamthochschule Paderborn (1975). Heft 1, S. 25.
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